Verrtiebene Schüler


Schüler, die während der NS-Zeit aus dem Erich-Fried-Realgymnasium, BRG9 IX Glasergasse 25, vertrieben wurden:
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Rudolf Sachs (ehemalige Schüler)

Biographie von Rudolph Sachs:



"Im Juni des Jahres 1938 hörte ich eines Morgens, dass Luxemburg eine bestimmte Zahl von Juden aufzunehmen bereit sei. Infolgedessen saß ich noch am selben Abend in einem Zug mit dem Ziel Luxemburg.
Dort angekommen, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich immer noch zu nahe an Nazi-Deutschland war, und ich bewarb mich deshalb um Stipendien in Belgien und Frankreich. Ich wurde sowohl von der Universität von Grenoble in Frankreich als auch von der in Liège in Belgien aufgenommen. Obwohl ich Frankreich bevorzugte, war es mir nicht möglich, in einen österreichischen Pass ein französisches Visum eingetragen zu bekommen. Der Konsul Frankreichs teilte mir mit, dass man mir ein Visum ausstellen würde, wenn ich einen deutschen Pass hätte. Also reiste ich nach Belgien, wo ich beschloss mein Glück zu versuchen: Ich begab mich zum deutschen Konsulat und fragte eine freundliche junge Dame, ob ich meinen österreichischen Reisepass gegen einen deutschen tauschen könne. Sie sah keinen Grund, warum das nicht möglich sein sollte (Anmerkung: Da ja die „Ostmark“ seit März 1938 ein Teil des deutschen Reiches war). Mit meinem neuen Pass kehrte ich nach Luxemburg zurück, wo ein Freund mir das heiß ersehnte französische Visum gab.
Als der Krieg im September 1939 ausbrach, wurden alle Deutschen, Österreicher mit eingeschlossen, als ausländische Feinde interniert. Österreichern wurde später erlaubt, in der französischen Armee zu dienen, was ich auch tat. Als die französischen Streitkräfte im Juni 1940 sich auflösten, kehrte ich nach Grenoble zurück, das im unbesetzten Teil Frankreichs lag. Ich wurde offiziell demobilisiert und hoffte, nun, mein dortiges Ingenieursstudium wiederaufnehmen zu können. Doch einige Wochen später fand ich mich, da ich in wehrfähigem Alter war, erneut in der Armee. Doch wie auch immer – mein sehnlichster Wunsch war es in die USA zu gelangen. Aber ich musste warten, bis meine Nummer am amerikanischen Konsulat an der Reihe war, was dann im März 1941 der Fall war.
Da ich das Glück hatte, deutsch und französisch zu sprechen, arbeitete ich im Büro unserer Kompanie und freundete mich mit meinem befehlshabenden Offizier an. Als ich ihm erzählte, dass ich ein amerikanisches Einreisevisum hätte und darauf aus sei Europa möglichst bald zu verlassen, schlug er mir Folgendes vor: „Nehmen Sie sich zehn Tage Urlaub! Ich werde ihn automatisch um weitere zehn Tage verlängern, und dann muss ich Sie als AWOL (away without leave) melden. Hoffentlich haben Sie bis dahin Frankreich verlassen.“
Zu meinem Glück lief zwei Tage nachdem ich mein Visum erhalten hatte, ein Schiff mit etwa 300 Flüchtlingen von Marseille nach Martinique aus. Ich konnte an Bord gehen, indem ich meinen Studentenausweis und meine Entlassungspapiere vorwies. Da es offiziell als Touristenschiff deklariert war, dessen Route über Oran und Casablanca führte, um Rick’s Café zu besichtigen, dauerte es ganze zwei Monate, bis wir Fort de France auf Martinique erreichten – länger als Kolumbus brauchte, um den Atlantik zu überqueren.
In Fort de France angekommen, wurden alle Passagiere des Flüchtlingsschiffes in ein Zwischenlager gebracht, das an einem bezaubernden Strand lag. Wie es so üblich ist, hatte das Camp zwei Ausgänge: Einen schwer bewachten, und einen anderen, unbewachten, von dem aus man am Pier entlang zu einer Fähre gehen konnte, die einen zur Stadt Fort de France brachte.
Obwohl ich mich anfangs beschwerte, dass ich, ein ausgemusterter Kriegsveteran, interniert sei, zog ich, als mir gesagt wurde, es stehe mir frei in die Stadt zu übersiedeln, es vor, bei freier Kost und Logis und wunderbaren Sandstränden im Lager zu bleiben. Zum Glück gab es damals noch keine Computer! (Anmerkung: in dem der bisheriger Fluchtweg registriert gewesen wäre)
Etwa zwei Monate später legte ein Schiff aus den USA an und brachte uns alle mit legalen Einreisepapieren nach New York, wo ich im Mai 1941 ankam.
Dort traf ich meine jetzige Gattin Lucy, als sie fünfzehn war, doch ich war damals nicht daran interessiert wegen Verführung einer Minderjährigen in den Knast zu wandern. Von der Universität Alabama bekam ich ein Stipendium und schloss dort im Jahre 1943 mit einem Bachelor of Science in Maschinenbau ab. Ebenso erhielt ich den Grad Master of Science von der Columbia Universität im Jahre 1946.
Nach meinem Abschluss in Alabama arbeitete ich als Ingenieur für Elektronik und wurde infolgedessen vom Militärdienst in der US-Army befreit. In den späten 60-er Jahren gründete ich meine eigene Firma, in der ich auch heute noch als Chef aktiv mitarbeite.
Was mein Privatleben betrifft, so heiratete ich 1944 eine ebenfalls emigrierte Wienerin. Leider starb sie 1999 an einem Gehirntumor, der sie in den letzten 24 Jahren unserer Ehe völlig Pflegebedürftig gemacht hatte.
Irgendwann im Jahre 2001 rief mich Lucy – jetzt nicht mehr fünfzehn Jahre alt- an und sagte mir, sie habe von ihrer Schwester gehört, dass meine Frau gestorben sei, und was dagegen spräche, dass wir unds irgendwo in New York treffen könnten. Wenn jedem von uns gefalle, was er sehe, könne ich sie ja nach Forrest Hills nach Hause fahren, wenn nicht, würde sie ein Taxi nehmen. Nun, ich brachte sie heim nach Forrest Hills – und der Rest ist Geschichte."




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