Festakt – In Memoriam Erich Fried
Donnerstag, 19. November 1998,
19.00 Uhr Festsaal der Bezirlcsvorstehung 9. Bezirk
Grußadresse von Kulturstadtrat Peter Marboe
Im 9. Bezirk hat in den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts Erich Fried gewohnt; damals ein Kind, dem dieser Alsergrund Heimat war, das hier in die Schule gegangen ist, das – später – in seinen Erinnerungen die Gegend um die elterliche Wohnung, die Schule plastisch beschrieben hat.
Erich Fried hat ein Schicksal erlitten, wie so viele seines Volkes und seiner Generation: aus rassischen Gründen vertrieben in die Emigration gejagt, in der er später sein anderes ZLl Hause gefunden hat. Ob es ihm Heimat geworden ist, ist die Frage. Denn, so Alfred Polgar: „Der Emigrant hat nicht zwei Heimaten, sondern zwei Fremden.“ In diesem anderen Land, in der anderen Sprache lebend, ist er zu einem der großen Dichter der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegsjahre geworden.
Wenn wir heute in Wienl Erich Frieds gedenken, so ma ºßen wir uns nicht an, ihn damit als Dichter dieser Stadt reklamieren zu wollen, aber wir wollen daran erinnern, daß er zu jenen zählt, die im Exil die Kulturgeschichte dieser Stadt weitergeschrieben haben. Fried selbst – und wir mit ihm – würde sich heute wohl als europäischer Dichter sehen, als Kind dieses Kontinents, dessen Leiden auch das seine war, für dessen Menschen er in seinem Wetk eingetreten ist.
Seine Lyrik hat immer den Menschen gegolten, dem Leben, der Freiheit, der Liebe. Er hat politisches Engagement gezeigt, ist mutig und kompromißlos für Verfolgte und Entrechtete eingetreten, hat überall dort die Stimme erhoben, wo er Unrecht sah. Seine Sensibilität – sein Mitleiden, seine ? Fähigkeit zur Einfühlung – hat seine Verse geprägt und ist uns über diesen Weg allen zur Mahnung geworden.
Erich Fried schreibt über sich selbst:
Aus dem Leben
bin ich
in die Gedichte gegangen
aus den Gedichten
bin ich
ins Leben gegangen.
Welcher Weg
wird am Ende
besser gewesen sein?
Es waren zwei gute, eigentlich nicht zu trennende Wege, die Fried gegangen ist, an die wir heute denken wollen. An den Menschen, an den Dichter Erich Fried. Er soll uns Vorbild sein. Wir wollen uns auch in Zukunft an ihn erinnern. Mit der Benennung der Schule nach ihm, aber vor allem auch über sein Werk, das er uns und den kommenden Generationen zum Vermächtnis hinterlassen hat.